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Johannes 17,5

 

"Und nun verkläre mich du, Vater, bei dir selbst mit der Klarheit (oder Herrlichkeit), die ich bei dir hatte, ehe die Welt war."

 

Das folgende ist eine von mir geschriebene Zusammenfassung eines Vortrags von Bill Schlegel. 

 

Gemäss trinitarischer Auslegung zeugt dieser Vers von der Präexistenz Jesu als Gott der Sohn. Jesus erinnert sich an die Zeit vor Grundlegung der Welt und bittet seinen Vater, ihm die Herrlichkeit zurückzugeben, welcher er damals hatte. 

 

Die grundsätzliche Frage, die man hier stellen muss, ist diese: Wer spricht das Gebet in Johannes, Kapitel 17: Ist es der Mensch Jesus, oder der Gott Jesus? Wenn hier der Gott Jesus betet, dann ist im gleichen Moment der Mensch Jesus eliminiert. Das aber ist der Geist des Antichrists. 

 

Aber betrachten wir der Reihe nach und etwas genauer die Probleme der trinitarischen Interpretation. Nur zwei Verse früher, in Joh. 17,3, betet Jesus:

 

"Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen."

 

Jesus sagt hier unmissverständlich, nur sein Vater sei der wahre Gott. Ist es dann nicht seltsam, wenn er zwei Verse später impliziert: "Und ich bin auch der wahre Gott"? 

 

Ein weiteres Problem ist, dass gemäss trinitarischer Theologie Jesus auch nach seiner Inkarnation völlig Gott blieb, und gleichzeitig völlig Mensch wurde. Man nennt dies "Hypostatische Vereinigung": Jesus sei 100% Gott und 100% Mensch gewesen. Wenn aber Jesus in Joh. 17,5 als Gott spricht, inwiefern hat er dann seine Herrlichkeit aufgegeben? 

 

Es stellt sich eine weitere Frage: Warum sagte Jesus nicht, "mit der Herrlichkeit, die ich bei dir und dem Heiligen Geist hatte..."? Warum vergisst Jesus, die dritte Person der Trinität zu erwähnen? 

 

Zuerst einmal muss man verstehen, was es bedeutet, wenn Jesus im Gebet das Wort "Vater" benützt. Wenn man die trinitarische Brille aufgesetzt hat, dann stellt man sich ein Gespräch innerhalb der Gottheit vor: Gott der Sohn spricht zu Gott dem Vater. Aber im biblischen Kontext kann von einer solchen Vorstellung nicht die Rede sein. Vielmehr ist "Vater" ein Titel, den Menschen für Gott brauchen. Jesus selbst sagt in Joh. 20,17:

 

"Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott."

 

Als Menschen dürfen wir zu Gott eine Beziehung haben, die der Beziehung eines Kindes zum Vater entspricht. Adam wird als Sohn Gottes bezeichnet (Luk. 3,38). Gott nennt Israel seinen erstgeborenen Sohn (2. Mose 4,22). Bekannterweise werden auch Gläubige Kinder Gottes genannt. Und insbesondere trifft die Bezeichnung "Sohn Gottes" auf den verheissenen Sohn Davids, den König Israels, zu (2. Sam. 7,14). All dies spricht dafür, dass hier der Mensch Jesus betet. 

 

Nirgendwo (sonst) in der Bibel wird die Herrlichkeit des Messias als etwas beschrieben, was dieser besass, dann aufgab und später wieder zurückbekam. Stattdessen steht geschrieben:

 

"Musste nicht Christus solches leiden und zu seiner Herrlichkeit eingehen?" (Luk. 24,26)

 

Die Herrlichkeit, von der hier gesprochen wird, war also für den Messias vorherbestimmt. Eine bessere Interpretation von Joh. 17,5 ergibt sich also, wenn man berücksichtigt, dass die Heilige Schrift häufig von vorherbestimmten Dingen, die noch nicht existieren, so spricht, als würden sie bereits existieren. Jesus spricht als Mensch von der Herrlichkeit, die für ihn prophezeit wurde. Er wusste aus der Schrift, dass ihm diese Herrlichkeit gehörte:

 

"Und fing an von Mose und allen Propheten und legte ihnen alle Schriftstellen aus, die von ihm gesagt waren." (Luk. 24,27)

 

Wenn man das ganze Kapitel 17 des Johannesevangeliums liest, dann taucht dieses Konzept der vorherbestimmten Herrlichkeit noch mindestens zweimal auf. Die Einteilung des Kapitels ist wie folgt: In Vers 1 bis 5 betet Jesus für sich, in Vers 6 bis 19 betet er für die anwesenden Apostel, und in Vers 20 bis 26 betet er für zukünftige Gläubige, also Menschen, die teilweise noch gar nicht existierten. In Vers 22 sagt Jesus:

 

"Und ich habe ihnen gegeben die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, ..." 

 

Jesus spricht hier in Bezug auf Menschen, die noch gar nicht existieren, in der Vergangenheitsform. Und im gleichen Atemzug spricht er von seiner Herrlichkeit, welche er schon in Joh. 17,5 erwähnt hatte. In Vers 24 sagt er dann:

 

"Vater, ich will, dass, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast, dass sie meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast, denn du hast mich geliebt, ehe denn die Welt gegründet ward."

 

Nebenbei bemerkt: Selbst wenn man diesen Vers im Sinne einer Präexistenz Jesu versteht, muss man sich fragen, wie dann die Tatsache, dass Jesus seine Herrlichkeit von seinem Vater vor Grundlegung der Welt gegeben wurde, zur Vorstellung Jesu als ewigen Gott passt? Dann hätte er die Herrlichkeit doch von Ewigkeit her besitzen müssen. 

 

Eine bessere Interpretation von Joh. 17,5 ist also, dass Jesus von der Herrlichkeit spricht, welche ihm in Gottes Plan und Absicht gegeben wurde. Deshalb spricht Jesus in der Vergangenheitsform. Das ist ein übliches Konzept in der Bibel, und sollte uns auch nicht überraschen: Gott fasst einen Plan und sagt uns im Voraus, was er vorhat:

 

"Siehe, was ich zuvor habe verkündigt, ist gekommen, so verkündige ich auch Neues, ehe denn es aufgeht, lasse ich's euch hören." (Jes. 42,9)

 

Grammatikalisch spricht man von der "prophetischen Vergangenheitsform". Auch auf Deutsch kennen wir eine ähnliche Art zu sprechen: Man benützt zwar die Gegenwartsform, meint aber die Zukunft, z.B. "Wer diesen letzten Donut isst, ist ein toter Mann" (Beispiel von Bill Schlegel). 

 

Gott verlangt von uns Menschen, dass wir Ihm glauben, dass das, was Er voraussagt, auch geschehen wird. Das ist ein weiterer Grund, warum hier der Mensch Jesus spricht. In Joh. 17,5 drückt der Mensch Jesus seinen Glauben an die Verheissungen Gottes für den Messias aus. Dass er diese Verheissungen aus der Heiligen Schrift kannte, beweist Luk. 24,27 (siehe oben). Im Gegensatz zu Jesus glaubte das Volk Israel nicht an Gottes Verheissung bezüglich dem Land Kanaan:

 

"Lass sich Aaron sammeln zu seinem Volk, denn er soll nicht in das Land kommen, das ich den Kindern Israel gegeben habe, darum dass ihr meinem Munde ungehorsam gewesen seid bei dem Haderwasser." (4. Mose 20,24)

 

Auch hier hat Gott in der prophetischen Vergangenheitsform gesprochen. Die Israeliten aber glaubten Gott nicht. Der Messias Jesus aber glaubte den Verheissungen in Bezug auf seine Person. Betrachten wir ein paar weitere Bibelverse im Zusammenhang mit der prophetischen Vergangenheitsform. In Röm. 4,17 steht:

 

"... vor Gott, dem er glaubte, der die Toten lebendig macht und das Nichtseiende ruft, wie wenn es da wäre." 

 

Hier wird explizit gesagt, dass Gott von Dingen, die noch nicht vorhanden oder geschehen sind, so spricht, als wären sie bereits Realität. Das ist auch nicht verwunderlich: Sobald Gott einen Plan gefasst hat, ist dieser so gut wie schon erfüllt, schliesslich ist Gott allmächtig. Und wir Menschen sollten Gott entsprechend vertrauen und glauben. In Matth. 25,34 steht:

 

"... Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbet das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt!" 

 

Und in 1. Petr. 1,19-20 steht:

 

"sondern mit dem teuren Blut Christi als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes, der zwar zuvor ersehen ist, ehe der Welt Grund gelegt ward, aber offenbart zu den letzten Zeiten um euretwillen." 

 

Hier kann man noch ergänzen, dass es keinen Sinn macht, dass Christus von Gott vorhergesehen wurde, wenn er damals bereits existierte. Was macht Vorherwissen für einen Sinn, wenn etwas bereits vorhanden ist?

 

Zum Abschluss betrachten wir Jes. 53. Die jüdische Auslegung, dass hier vom Volk Israel die Rede ist, ist zwar nicht falsch, aber Christen sehen hier eine deutliche Parallele zum Messias. Dieser ist gewissermassen "das ideale Israel". Nun ist auffällig, dass das Kapitel fast ausschliesslich in der Vergangenheitsform geschrieben ist:

 

"Denn er schoss auf vor ihm wie ein Reis..." (Vers 2)

"Er war der Allerverachtetste..." (Vers 3)

"Fürwahr, er trug unsre Krankheit..." (Vers 4)

"... aber der Herr warf unser aller Sünde auf ihn" (Vers 6)

"Da er gestraft und gemartert ward..." (Vers 7)

"Und man gab ihm bei Gottlosen sein Grab..." (Vers 9)

"Darum dass seine Seele gearbeitet hat..." (Vers 11)

 

Eine Warnung zum Schluss: Die trinitarische Interpretation von Joh. 17,5 erfordert, dass Jesus als Gott und nicht als Mensch betete. Dies impliziert, dass es nicht der Mensch Jesus war, welcher dem Vater gehorchte, dem Vater vertraute, den Vater verherrlichte, und Herrlichkeit vom Vater empfing. Gemäss dieser Interpretation war es kein Mensch, welcher Herrlichkeit von Gott empfing. Es war kein Mensch, der das Gebet in Joh. 17 sprach. Man beraubt den Menschen Jesus seines Gehorsams, seines Glaubens, und seiner Herrlichkeit. Das ist der Geist des Antichrists (1. Joh. 4,3)! Dieser leugnet, dass in der Bibel der Mensch Jesus beschrieben wird. Und es ist auch ein anti-menschlicher Geist, und deshalb dämonisch: Satan erträgt es nicht, dass ein Mensch zur Rechten Gottes erhöht wurde. 

 

Weiter zu Joh. 20,28.
 

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